Ihr kennt das ja alle, man hetzt von einem Termin zum nächsten. Job, Familie und Verpflichtungen -- für Privates bleibt oft nur noch wenig Zeit. Geschweige denn für die Pflege langer Freundschaften. Eine Sache, die ich nicht nur bei mir feststelle, sondern auch ganz oft bei anderen höre. Alle hetzten nur noch, keiner hat mehr Zeit, vielleicht mal ein schnelle Begegnung, zufällig irgendwo auf der Straße, ein noch Schnelleres: "Na wie gehts?" Und nach ein bisschen Smalltalk dann das obligatorische "Ich meld mich mal wieder" oder auch "wir machen mal wieder was aus"..... doch dann treibt einen der alltägliche Trott auch schon wieder weiter, getreu dem Motto: aus den Augen - aus dem Sinn..... ganz schön schrecklich oder?
Tja und dann ist mir diese Tage etwas passiert, das hat mich echt schwer zum Nachdenken gebracht. Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit Geburtstag. In diesem Jahr hat eine Freundin, die normalerweise immer an diesem Tag anruft, dieses Mal aber nicht angerufen. Ok, ist ja nicht weiter dramatisch. Den ein oder anderen Geburtstag habe ich ja schon selbst vergessen, wer wird denn da also schon nachtragend sein? Bei manchen Freundinnen ist es sogar so, dass wir immer absichtlich ein bisschen später anrufen, weil man dann mehr Zeit zum Quatschen hat, als an dem Tag selbst (was für frau ja nicht ganz unwichtig ist *grins*)
Doch dann schrieb mir besagte Freundin ein paar Tage später eine E-Mail. Sie hat sich entschuldigt, dass sie sich nicht gemeldet hätte, aber zu dieser Zeit wäre Ella geboren und alles sei sehr stressig gewesen. Mein erster Gedanke: "Wer ist Ella?" Sie schrieb dann weiter, dass sie dann erst aus dem Krankenhaus gekommen sei und sich nun zu fünft erstmal haben finden müssen (sie hatte schon zwei Kinder). D.h. sie hat ein Kind bekommen???? Ich war entsetzt. Denn ich wusste nichtmal, dass sie überhaupt schwanger war. Da hat man eine Freundin, die gerade mal 15km von einem weg wohnt, aber man bekommt es überhaupt nicht hin, übers Jahr mal anzurufen, sich sonst irgendwie zu melden und das wo man sich seit fast 20 Jahren kennt und seither auch befreundet ist. Wenn man nicht bei Facebook, WhatsApp oder sonst wo angemeldet ist, dann ist man echt raus. So bekommt man wenigstens "zufällig" noch was mit. Ich selbst bin dort zwar jeweils vertreten, meine Freundin dagegen aber nicht.
Ich hab sie sofort angerufen und mich erstmal tausendfach entschuldigt, dass ich mich das ganze Jahr über nicht gemeldet habe und was sagt sie: "Du, das ist doch nicht schlimm. Ich hätte ja genauso gut mal anrufen und Dir von meiner Schwangerschaft erzählen können. Aber Du weißt ja wie das ist".
Ja das weiß ich .... leider.... und genau dieses Wissen treibt mich zu diesen Gedanken. Jeder lebt sein Leben, jeder hat seinen Trott, jeder ist ständig nur im Stress, keiner hat mehr Zeit. Egal ob im eigenen Leben, in dem der Freunde und Bekannte oder auch in all den Blogs.... Mir fällt das schon länger auf. Egal wen ich auf der Straße treffe, mit wem ich mich persönlich treffe oder bei welchem Blog ich auch regelmäßig lese. Alle wirken gehetzt, rast- und ruhelos oder auch ausgelaugt. Vor allem aber auch die Frauen. Und das wo wir noch nicht mal in der Vorweihnachtszeit sind.
Aber an was liegt das? Ist das unsere Gesellschaft? Ist es der ganze Druck, der auf uns lastet? Wir haben einen Job, Familie und den Haushalt. Alles soll perfekt laufen. Im Job soll man Bestleistungen erbringen, sonst heisst es doch gleich, man habe sein Leben nicht in den Griff. Und das bei ständig steigenden Anforderungen (ich kann da gerade selbst ein Lied davon singen). Kommt man von dort nach Hause, wartet natürlich auch der Haushalt auf einen. Denn ganz so erfolgreich bin ich dann nun auch wieder nicht, dass ich mir eine Haushaltshilfe würde leisten könnte.
Dann gäbe es natürlich auch noch die Kindererziehung. Früher wurden Kinder halt so irgendwie erzogen. Im Winter hat man drinnen mit Puppen oder Lego gespielt. Im Sommer war man ausschließlich draußen, als lebe man quasi auf der Straße. Pädagogische Konzepte??? Nein, die gab es nicht, aber die haben wir auch nicht gebraucht. Dafür kann ich gut und gerne von mir behaupten, ich hatte eine glückliche Kindheit (was nicht heißt, das man das als Kind heute nicht mehr hat, aber ich will sagen, es ging auch ohne den perfektionistischen Anspruch, alles richtig machen zu müssen, weil das irgendwo mal ein schlauer Mensch wo gesagt oder geschrieben hat.)

Heute sieht das anders aus.... musikalische Früherziehung, VHS-Englischkurse für Kindergartenkinder, sportliche Förderung und für alles eben ein pädagogisches Konzept. Wer nicht mitmacht, macht es - rein gesellschaftlich gesehen - natürlich falsch. Wenn bei uns die Kinder, die in unserer Straße wohnen, klingeln, muss ich ständig sagen: "Oh sorry, heute geht es leider nicht, wir müssen gleich wieder los, weil heute ist das und das....." Und so hetzt man sich durch den Alltag.
Hinzukommen sämtliche gesellschaftliche Verpflichtungen: ehrenamtliche Tätigkeit, Kindergartenfeste, Geburtstage und und und.... irgendwann macht man nichts mehr, weil man darauf gerade Lust hat, sondern weil man eben muss.
Wenn man mal 2 Stunden für sich selbst freischaufelt, dann tut das zwar gut, aber reicht diese kurze Zeit auch wirklich zum Entspannen? Außerdem muss ich gestehen, ich habe es längt verlernt, mich einfach mal dann für diese Zeit aufs Sofa zu legen einfach mal nichts zu tun. Früher konnte ich das mal.... Heute bin ich immer drauf gepolt: Aber Du musst doch was tun!
Ich habe ja schon neulich davon erzählt, dass mein Arzt zu mir gesagt hat, dass wenn ich so weiter mache, dass ich dann spätestens mit 40 im Burnout lande und was ich deshalb nun denke zu ändern. Nichts natürlich. Soll mein Sohn jetzt etwa nicht mehr in den Schwimmkurs, nur weil ich dadurch dann ein bisschen weniger gestresst wäre? Soll ich jetzt kürzer treten, obwohl es allen so geht? Soll ich mich beschweren, obwohl alle das gleiche Los teilen? Es ist eben nun alles eine andere Zeit. Wie sagen die Alten immer so gern: "Früher war alles einmal anders".
Aber stimmt ja auch irgendwie. Meine Mutter war damals Hausfrau um sich um die beiden Kinder zu kümmern. So wie die meisten Mütter eben. Ich selbst habe zwar nur ein Kind, dafür aber eine 70%-Stelle plus eine tägliche Fahrtzeit von einer Stunde. Aber soll mein Sohn darunter leiden? Weniger arbeiten geht auch nicht, da wir auf meinen Lohn angewiesen sind und außerdem arbeite ich auch wirklich gerne.
Tja und so dreht sich eben dieses Hamsterrad immer weiter und es gibt auch irgendwie kein Entkommen..... Wie oft denke ich: Heute rufste mal wieder diese oder jene Freundin an, aber dann kommt wieder was dazwischen und man denkt sich "mach ich morgen". Aus morgen wird übermorgen, aus übermorgen wird nächste Woche, aus nächster Woche wird nächsten Monat und Ruck zuck verliert man es ganz.....
Und dann kommt Ella.
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Es grüßt Euch eine heute ein bisschen nachdenkliche
Pamy
der es aber gut geht, macht Euch daber bitte keine Sorgen..... es sind einfach nur so ein paar (vielleicht auch gesellschaftskritische) Gedanken, die mich gerade umtreiben.
Und mehr von den Nordseebildern zeig ich Euch vielleicht morgen.... wenn ich nach dem Fußballtraining (aaaaahhhh da haben wir es ja schon wieder!!!) des kleinen Mannes noch Zeit dazu habe ;-)